Aus der Krienser Schulgeschichte
Das Dorfschulhaus
Über dem Eingang zu unserem Dorfschulhaus an der Horwerstrasse ist die Jahrzahl 1866 eingemeisselt. Vor 150 Jahren ist dieses stattliche Gebäude erbaut worden. Seiner Erstellung ging eine längere Leidensgeschichte voraus. Bis zu dieser Zeit besass die arme Bauerngemeinde Kriens weder ein eigenes Schul- noch ein Gemeindehaus. 1861 hielt eine Gemeindekommission in ihrem Bericht fest:
«Nach der gesetzlichen Anordnung der Schule baute Kriens im Jahr 1806 der Wohlfeile wegen aus übel verstandener Sparsamkeit die erste Schulstube auf das alte Sigristenhaus (am Kirchrainweg). Schon 1828 musste im gleichen Haus eine zweite Winterschule errichtet werden. 1836 wurde im Breithaus im Dorf ein weiteres Lokal für Winter- und Sommerschule eingerichtet und von der Gemeinde gemietet. Die Schullokale im Sigristenhaus sind unbequem.»
Natürlich waren diese Missstände den zuständigen Stellen längst bekannt, alle Versuche sie zu beheben, scheiterten bisher aber zumeist aus finanziellen Gründen.
Mit der Schaffung des neuen Schulkreises Kriens war auch die Errichtung einer Sekundarschule verbunden. Der Besuch dieser Oberstufe war nach 6 Winterkursen Primarschule freiwillig und nur Knaben zugänglich. Ab 1863 wurden dann versuchsweise (!) auch Mädchen zugelassen. Für das erste Jahr meldeten sich 19 Schüler an, aber wiederum stand kein Schullokal zur Verfügung. Nun musste etwas geschehen, denn mit zunehmender Industrialisierung wuchs auch ständig die Einwohnerzahl an. So beschloss als erstes die Gemeindeversammlung vom 19. Juli 1863:
«Dem Gemeinderat wird eine Kompetenz behufs Ankauf eines Schulhausplatzes mit gesetzlicher Mehrheit erteilt.»
Offenbar ordnete daraufhin der Gemeinderat die Bildung einer 11-köpfigen Baukommission an, die aber vorerst noch nichts von sich hören liess. Erst am 22. Oktober 1863 nahm die Baukommission offiziell ihre Arbeit auf und beriet über einen Kaufvertrag für das Schulhausareal.
Gemäss Vertrag kaufte die Gemeinde eine Jucharte Land (ungefähr 3000 m2) zum Preise von 5500.- Fr. Damit war die Bahn frei für das weitere Vorgehen und die Baukommission beschloss am 24. April 1864 «den Bau des Schulhauses im Frühjahr 1866 in Angriff zu nehmen».
Das Haus und sein Bau
Im Verlaufe des Sommers 1864 befasste sich die Baukommission eingehend mit der Planung des neuen Gebäudes. Es war zum vorneherein klar, dass nebst den Schulräumen auch die Gemeindekanzlei und das -archiv untergebracht werden mussten. Schon nach wenigen Sitzungen einigte man sich darauf, den Bauplan des hiesigen Zimmermeisters Andreas Haas zur Ausführung vorzuschlagen. Im Protokoll über die Gemeinde-versammlung vom 2. Februar 1865 ist festgehalten:
„Der Bau eines Schul- und Gemeindehauses wurde mit 123 Stimmen beschlossen und zwar nach dem vorgelegten Plan. Vollmacht an Baukommission für einen Kredit von Fr. 30’000-35’000.“
Dieser Kredit betraf lediglich die aufzunehmenden Darlehen, denn der Voranschlag für den Bau lautete auf ca. Fr. 55’000 (rund Fr. 23’000 hoffte man durch den Schulfonds und über die laufende Gemeinderechnung aufbringen zu können).
Im März 1866 wurde mit dem Bau offiziell begonnen.
Das Mauerwerk wurde damals noch mit Bruchsteinen und daher entsprechend dick ausgeführt. Für das Fundament war eine Dicke von 3½ Fuss und für die innern von 2 Fuss vorgeschrieben (1 Fuss entspricht ca. 30 cm). Am Hause selbst konnten dann die Mauern von Stockwerk zu Stockwerk etwas leichter gebaut werden, in der 1. Etage noch 2½ Fuss und in der 4. Etage 1 Fuss 9 Zoll. Die innere Einteilung des Hauses ist mit wenigen Ausnahmen bis heute unverändert geblieben. Pro Stockwerk wurden je zwei Schulzimmer eingebaut, im Parterre auf der Südseite eine Wohnung. Ursprünglich wurden dann im 1. Stock die Gemeindekanzlei und eine zweite Wohnung eingerichtet.
Die Bauzeit dauerte rund anderthalb Jahre. Die Arbeiten wurden fast ausnahmslos von ortsansässigen Unternehmern und Handwerkern ausgeführt. Im Herbst 1867 konnte das neue Schul- und Gemeindehaus bezogen werden. Am 18. Oktober fand eine offizielle Einweihungsfeier verbunden mit einem Jugendfest statt.
Nachdem das neue Schulhaus stand, baute man auf dem gleichen Platz gleich weiter und erstellte „auf der hintern Front auf bei den Seiten des Hauptgebäudes“ zwei fensterlose, hölzerne Ökonomiegebäude. Diese zusätzlichen Bauten waren in ihrer äussern Form dem Schulhaus angeglichen. Rund 100 Jahre diente dann das Gebäude nördlich des Schulhauses als Feuerwehrmagazin, der Bau auf der andern Schulhausseite als Holz- und Geräteschuppen, ursprünglich auch als Waschhaus für den Hauswart. Bei der Neugestaltung des Pausenplatzes im Jahre 1972 wurden dann diese Nebengebäude abgerissen. Gemäss Abrechnung der Kommission betrugen die Baukosten für die gesamte Anlage (ohne Landerwerb) 61’610.- Fr.
Die Gemeinde hatte mit dem Dorfschulhaus ein reines Zweckgebäude erhalten. Es steht heute als ein sehr gutes Musterbeispiel für Baukunst und -stil seiner Zeit da. Mit seinen grossen, hellen Schulzimmern und der gleichzeitig eingebauten Hauswartwohnung war es damals bestimmt grosszügig geplant. Dass man grosse „Schulstuben“ brauchte, deren Bodenfläche rund 75 m2 beträgt, geht allerdings aus den maximalen Klassenbeständen hervor, die im Winter 1896/97 zu verzeichnen waren.
Schülerbestände der Primarklassen im Winter 1896/97 gemäss Protokoll der Schulpflege Kriens:
2. Klasse 90 Kinder
3. Klasse 77 Kinder
4. Klasse 88 Kinder
5. Klasse 71 Kinder
6. Klasse 61 Kinder
7. Klasse 59 Kinder
Gemäss Weisung des Erziehungsrates mussten dann auf Ostern 1897 zwei weitere Lehrkräfte (die ersten Lehrerinnen für das Dorf Kriens) angestellt werden, um wenigstens die 1. und die 3. Klasse teilen zu können.
Den sehr einfachen Lebensgewohnheiten der damaligen Zeit entsprechend war allerdings der Innenausbau des neuen Hauses äusserst bescheiden. Elektrisches Licht kannte man noch nicht, Holzfeuerung war selbstverständlich und fliessendes Wasser gab's am Brunnen hinter dem Haus. Auch die Qualität der ausgeführten Arbeiten war offenbar nicht über jeden Zweifel erhaben. So ist es nicht verwunderlich, dass bald einmal Verbesserungswünsche auftauchten. Im April 1892 richtete die Lehrerschaft eine schriftliche Eingabe an die Schulpflege, worin auf etliche Mängel hingewiesen und insbesondere eine Sanierung der übel stinkenden Aborte verlangt wurde.
Schrittweise wurden jeweils die nötigen Verbesserungen vorgenommen und dringende Neuerungen eingebaut. So wurden die Zwischenwände der Wohnung im ersten Stock herausgerissen und ein Schulzimmer eingerichtet, als die Gemeindekanzlei umzog. Im Parterre konnte das Archiv als kleines Einzelzimmer der Hauswartwohnung zugeschlagen werden, sobald im neuen Gemeindehaus zweckdienliche Ersatzräume zur Verfügung standen. Eine erste grössere Renovation erfolgte 1913. Damals wurde der ursprüngliche Abort-Anbau an der Ostseite des Hauses abgebrochen, vollständig neu erbaut und auch entsprechend hygienisch verbessert, d.h. mit Wasserspülung installiert. Gleichzeitig wurde ein Schlauchturm zum Trocknen der Feuerwehrschläuche angebaut.
1957 erfolgte dann eine weitere wesentliche Neuerung mit dem Einbau einer ölgefeuerten Zentralheizung. Bei dieser Gelegenheit konnten die grossen Öfen, die während 90 Jahren ihren Dienst geleistet hatten, aus den Schulzimmern entfernt werden. In diesen Öfen hatte man nur Reiswellen („Holzbürdeli“) verfeuern können, was stets mit entsprechend mühseliger Arbeit für den Hauswart und seine Familie verbunden war.
In den Jahren 1968-1970 wurde das Haus einer totalen Innen- und Aussenrenovation unterzogen. Dabei wurden die brandgefährlichen Holzstiegen durch Kunststeintreppen ersetzt und in den Schulzimmern Handwaschbecken mit fliessendem Wasser eingerichtet. Bei dieser Renovation konnte auch der überflüssig gewordene Schlauchturm wieder abgebrochen werden.
Ein Rückblick auf die Geschichte des Dorfschulhauses wäre unvollständig, würde man dabei die Hauswartsfamilie Arnet nicht erwähnen. Über mehrere Generationen versah sie den Posten des Hauswarts in vorbildlicher Art und Weise. Nach der Pensionierung der Geschwister Arnet im Jahre 1976 verzichtete die Gemeinde darauf, wieder einen Hauswart im Schulhaus einzumieten. Die Räumlichkeiten der Wohnung konnten umgebaut und das schon lange ersehnte Lehrerzimmer und eine Bibliothek eingerichtet werden.
Jetzt sind im Dorfschulhaus sechs Primarklassen untergebracht, ein weiteres Zimmer dient überdies dem Handarbeitsunterricht. Es ist damit eines der ältesten Schulhäuser im Kanton, das immer noch seinem ursprünglichen Zwecke dient und auf absehbare Zeit auch erhalten bleiben wird.
Text: Paul Wicki, 1981 (gekürzt)
Anpassungen und Fotos: Marco Francioni, 2010/2017